Wenn ich daran denke, wie die Vietnamesen zu mir waren, kommen mir die Tränen. Noch nie in meinem gesamten Leben wurde ich so herzlich in einem Land empfangen, wie in Vietnam. Die Menschen winken mir zu, geben mir die Hand, geben mir Fünf, grüßen vom Weiten oder im Vorbeifahren, machen Komplimente und teilen ihr Essen mit mir. Und das den lieben langen Tag.
Sie wollen wissen, woher ich komme, und wenn ich es Ihnen verrate, fängt die ältere Generation an, ihre Russischkenntnisse auszupacken, sowjetische Lieder zu singen, oder mir zu sagen, was sie mit meinem Volk gemein haben. Es ist so schön, mal nicht dafür verachtet zu werden, Russin zu sein. Es ist einfach der Traum.

Menschen in Haiphong: Unendliche Freundlichkeit
Heute ging ich durch Haiphong, am Fluss entlang, und ein Fischer teilte mit mir seine Bánh Cam (frittierte Sesambällchenm die wegen ihrer Farbe hierzulande „Orangenkuchen“ genannt werden). Er versuchte mir zu erklären, wie sein heutiger Fang war. Auf weitere Bánh Cam, nur mit köstlicher krümeliger Zuckerglasur und Thuốc lào (Bauerntabak) aus einer traditionellen Bambus-Bong luden mich vier Jungs vor einer Autowerkstatt ein. Ich teilte dafür meine Mandarinen vom Markt mit ihnen. Sie brachten mir bei, zu rauchen, kommunizierten mit mir über ein Übersetzungsprogramm und erfragten mich zu meinen Aufenthalt in Vietnam. Dann ich zog von dannen. Nun sind wir alle Facebook-Freunde.


Mir ist klar, dass die Leute so auf mich reagieren, weil ich runde Augen und super weiße Haut habe – und dass Leute von meiner Sorte hier wahrscheinlich nicht all zu oft rumlaufen (gestern in Hanoi sah ich einen, heute in Haiphong etwa fünf). Aber ihre Gastfreundschaft, Neugierde und Aufgeschlossenheit – so etwas habe ich noch nie erlebt. Obwohl auch die Portugiesen, wahnsinnig freundlich und erfreut über meine Anwesenheit, immer versuchten, mit mir trotz Sprachbarriere zu kommunizieren.
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Die Vietnamesen geben mir jedoch fortwährend ein Gefühl, dass ich hier willkommen bin, dass sie sich über mich freuen und dass sie mich mutmaßlich für etwas Besonderes halten. Danke, dass ihr dieses Gefühl in mir freigeschaltet habt. Ihr seht mir an, dass ich von woanders komme und ihr wollt mir gleich zeigen, wie ihr seid und wie eure einzigartige Kultur ist. Das ist wirklich mehr, als ich mir jemals hätte erträumen können.

Ich will den Hafen sehen!
Die Straßen von Haiphong sind nicht ansatzweise so voll, wie die von Hanoi. Ich bin wieder zu Fuß unterwegs. Wie üblich sind aber die Gehsteige meistens von Cafés, Autos, Mopeds, Motorrädern oder Verkaufswaren jeglicher Art blockiert.
Mein nächstes Ziel ist der Hafen von Haiphong, den ich mithilfe der anderen Ortskundigen schnell finde. Doch als ich am Einlass mit den Wimpern klimpere und den Uniformierten versuche beizubringen, dass ich gerne die Schiffchen sehen würde, verwehren sie mir den Eintritt. Ich schmolle kurz, doch die beiden verraten mir einen Ort, von dem ich über den gesamten Hafen und den wunderbaren Fluss Cấm sehen kann.
Haiphong – die Stadt der vielen Facetten


Die Uniformierten haben nicht zu viel versprochen – ich genieße den Ausblick und das träge Treiben unter der gigantischen Autobahnbrücke, die über den Fluss führt: Väter mit Kinderwägen, eine Skateboard-Gang, winzige Getränkestände, Menschen die in des Flusses Ferne Blicken und natürlich die neonfarbene Sonne, die mir mit ihrem Orange die Netzhaut zu verbrennen scheint, weil ich sie ungläubig anstarre, da sie zu schön ist, um sie zu fotografieren. Zu leuchtend, um sie in Worte zu fassen.


Planlos ging ich von dort durch die Gässchen in Richtung Hotel, sah mir wieder an, wie die Menschen von Haiphong in ihren Häusern lebten und war noch nie glücklicher und friedlicher. Die optischen Eindrücke, Düfte, der Geschmack von vietnamesischem Eistee, die Stimmen und der Verkehrslärm werden noch lange in mir weiterleben.





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