Leuten, die ich liebe, empfehle ich immer ein und dasselbe Buch: „Der schwarze Obelisk“ von Erich Maria Remarque. Dieser Ausnahmeautor gehört zu meinen absoluten Lieblingen im deutschsprachigen Raum. Schwierige Sachverhalte erklärt er einfach und mit Leichtigkeit. Seine Gabe, so fesselnd zu schreiben und den Zeitgeist seiner Lebensjahre wiederzugeben entführt mich jedes Mal aufs Neue in eine unbekannte Welt, die ich, trotz Themen wie Tod, Nationalsozialismus und Krieg, nicht verlassen will. Ich kann seine Bücher während eines Tages runterbingen und dabei völlig die Welt um mich herum vergessen. Es ist erstaunlich, dass er beim deutschen Publikum derart unterschätzt wird.

IMAGO / Depositphotos
„Der Schwarze Obelisk“
Remarque veröffentlichte seinen Zwischenkriegs-Roman „Der schwarze Obelisk“ im Jahr 1956. Darin schildert er das Leben der Überlebenden des Ersten Weltkriegs und deren Schwierigkeiten, nach ihren Kriegserfahrungen ein „normales“ Leben aufzubauen. Die Handlung spielt vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise und der galoppierenden Inflation in Deutschland.
Der Roman ist eine thematische Fortsetzung von Remarques Werken „Im Westen nichts Neues“ und „Der Weg zurück“. Die Vorarbeiten zu „Der schwarze Obelisk“ leistete der Autor bereits in den 1920er- und 1930er-Jahren, parallel zu seiner Arbeit an „Drei Kameraden“. Wer diese Bücher direkt nacheinander liest, bemerkt den einen oder anderen Charakter aus einer neuen Perspektive – Gänsehaut, Leute.
Darum geht es in Remarques Roman
Die Geschichte wird aus der Perspektive des Ich-Erzählers Ludwig Bodmer erzählt und spielt im Jahr 1923 in der fiktiven Stadt Werdenbrück. Ludwig arbeitet als Grabsteinverkäufer und spielt gelegentlich Orgel im örtlichen Irrenhaus. Dort trifft er oft auf Geneviève Terhoven, die unter einer Persönlichkeitsstörung leidet. Ludwig empfindet eine platonische Liebe für sie und philosophiert mit ihr.
Ludwigs betreibt den Beruf eines Grabsteinverkäufers mit einer gehörigen Portion Sarkasmus – eine Haltung, die er sich während des Krieges angeeignet hat. Seinen Humor verpackt Remarque in seine Figuren teils trocken, teils schwarz – jedoch immer sehr intellektuell und pointiert. Der Erste Weltkrieg hat tiefe Spuren bei den Charakteren hinterlassen, die häufig über ihre Erlebnisse sprechen. Gemeinsam mit seinem Chef Georg Kroll führt Ludwig das Geschäft, das durch die Inflation immer schwieriger wird.
Remarques Umgang mit Frauen
Remarque reflektiert in seinem Werk auch die Überlebensstrategien der Menschen in dieser Zeit. Frauen suchen sich reiche Männer zum Heiraten, was zu Verwirrung und Eifersucht bei Ludwig führt, als er seine große Liebe an einen solchen Mann verliert. Wie in jedem seiner Romane zeigt er auch hier seine wunderbare Gabe, Frauen als mystische und vielschichtige Wesen darzustellen. Man spürt in jedem Wort, das er dazu nutzt, um Frauen zu beschreiben, wie sehr er sie liebt, respektiert und bewundert. Es ist wirklich zutiefst berührend. Wahrscheinlich hat er unwissentlich dazu beigetragen, dass ich bis heute Single bin, indem er unrealistische Vorstellungen in mir aufzog. Danke Erich.
Ein bedeutender Aspekt des Romans ist der aufkommende Nationalsozialismus, dargestellt durch einen Kriegerverein, der sich zunehmend nationalistisch ausrichtet.
Gegen Ende des Buches tritt Ludwig eine Stelle bei einer Zeitung an und wird in Roggenmark bezahlt – einer Währung, die aufgrund der Hyperinflation diskutiert wurde.
Das letzte Kapitel bietet einen Einblick ins Jahr 1955 auf das weitere Schicksal der Figuren. Was mit den meisten Freunden Ludwigs während des zweiten Weltkrieges passiert ist, müsst ihr schon selbst herausfinden. Ich bekomme gerade sofort wieder Bock, dieses Buch zu lesen.
Symbolik: Schwarzer Obelisk
Das zentrale Symbol des Romans ist ein schwarzer Obelisk aus Mikrogabbro, bekannt unter dem Kürzel „SS“. Dieser Grabstein wird einerseits als Warnung vor drohender Aufrüstung interpretiert, andererseits als Symbol bürgerlichen Herrschaftsanspruchs gesehen. Der Verkauf des Steins an eine Bordellbesitzerin verdeutlicht den Verfall bürgerlicher Werte. Das aber habe ich erst jetzt während meiner Recherche herausgefunden. Mind=blown.
Hier findest du ein Mini-Detail zum Mikrogabbro
Fälschlicherweise wurde dieser Naturstein wegen seiner Härte als Granit bezeichnet und in Deutschland als Schwarz-Schwedisch bekannt und mit „SS“ abgekürzt.
Der Protagonist Ludwig Bodmer weist viele autobiografische Züge von Remarque selbst auf. Beide waren nach dem Ersten Weltkrieg kurzzeitig Volksschullehrer, verkauften Grabsteine und spielten Orgel im Irrenhaus. Werdenbrück entspricht weitgehend Remarques Heimatstadt Osnabrück.
Erich Maria Remarques Schlüsselroman
„Der schwarze Obelisk“ wird oft als Schlüsselroman gelesen. Viele Figuren basieren auf realen Personen aus Osnabrück. Remarque verwendet diese historischen Anspielungen, um die Wurzeln des Nationalsozialismus im Kleinbürgertum seiner Heimatstadt offenzulegen.
Wenn ich du wäre, würde ich zunächst andere Werke Remarques lesen, falls nicht ohnehin schon passiert. Die perfekte Reihenfolge für mich war: Zeit zu leben und Zeit zu sterben -Arc de Triomphe – Im Westen nichts Neues (für alle die Bock auf Depressionen haben) – Die drei Kameraden und zu guter Letzt Der schwarze Obelisk.
Beitragsbild Quelle: IMAGO / Bridgeman Images
Schreibe einen Kommentar